miromente 18

miromente 18  -  Dezember 2009

 

KATHY ZARNEGIN
Nackt 3

BILLI THANNER
bin ich dir nicht schön genug?

WOLFGANG BLEIER
Skizze mit Äckern und Wind

WALLE SAYER
Aus dem Skizzenbuch des Malers

CHRISTOPH BRAENDLE
Vorbemerkungen eines Sachbearbeiters

ALEXANDER WIDNER
Gravesend

KURT BRACHARZ
Gregors neue Metamorphosen

ADOLF VALLASTER
Momentaufnahmen vom Kriegsende
Da Öpfel
Weisse Klar

DANIELA EGGER
Die Flutwellen

 

LESEPROBE aus:

 

Skizze von Äckern und Wind
von Wolfgang Bleier

 

Jede Ortschaft riecht anders, der Bauer mistet die Gegend zu und der Fleischhacker hackt Fleisch in seiner kühlen Metzgerei. Fischteiche ruhen sich aus im August. Aus der sommerlichen Erde ragt ein Kirchturm, es flimmert die Luft. Sehr viel Wald zieht über jeden Hügelrücken, auch Äcker kriechen über die Hügel, sie riechen schwarz und erdig. Überall schrecken Vogelbeeren die Vögel. In mir steckt der ganze Wald, Vögel stecken in den Vogelbeeren. Am Abend werden Äcker und Apfelbäume rosig, Wolkenhaufen glühen und alles dunkelt rasant ein. Ich hocke müde in der Küche, ― und Wandelröschen, und über dem Küchentisch schweben Himmelsköniginnen. Am Rand des Dorfes bei der letzten Straßenlampe, befindet sich das Ende der Welt, da zieht ein Stück lebendige Nacht rund um das Haus. Der Regen wird vorbereitet, die Luft verändert sich. Regnet es, kann man keine Kartoffeln graben. Ein Strauch voller Vögel zwitschert, allmählich verrosten die Pflanzen. Tomaten werden rostig. Regnet es, kann man kein Korn mähen. Finsternis legt sich zwischen die Häuser. Die Ställe sind leer, die Dörfer werden immer leerer. Das Fenster mit dem auf dem Fensterbrett stehenden Blumenstock und den Mustern des Vorhangs, vom Autoscheinwerfer an die Wand geworfen, wandert ein Stück.

Gänse, Enten, Hühner und Tauben werden in der Hahnenmühle zermahlen. Alraunen schreien. Der Mensch erntet, eiserne Wisente und Bisons, so heißen die Maschinen, graben Erdäpfel aus. Mein Kopf wird von einem Mückenschwarm begeleitet. Erika blüht. Die Raupen des Kohlweißlings leben sehr gesellig an der Futterpflanze, das sind Krautköpfe. Die Welt geht zu Ende, wird gar: wenn ich in den Schlaf falle, geht die Welt aus. Kommt ein Holztransporter ― holterdiepolter, reißt mich der Wind weg, kommt ein Fischteich, fressen mich die Mücken auf. Gewürze zerstößt man im Mörser; Menschen werden wie Pfefferkörner zerstoßen, Burschen zerstoßen sich mit Motorrädern. Das Fell wird ihnen über die Ohren gezogen. Abstechen wird der Bauer die schlachtreife Sau nächsten Dienstag. Im Dorf gibt es einen Mann, der ist breiter als lang. Alles wird gepeinigt, gereinigt mit Kernseife und Scheuermittel. Der Kanal stößt Luft auf und gurgelt seinen Hals, die Wasserleitung. Buckelt man, wird der Brustkorb zusammengedrückt. Die eiserne Wühlmaus gräbt Kartoffeln aus. Bis nächsten Dienstag frißt die Sau so gut wie alles. Mein Kopf wird von Mücken abgefressen. Eine trächtige Ziege trägt ihre Tracht über die Straße. Wo sich ein Kraftwerk befindet, strömt elektrischer Strom in die Häuser.

(...)