miromente 19

miromente 19  -  März 2010

 

KATHARINA JOHANNA FERNER
dead bees

CHRISTIAN UETZ
Ulysses-Road-Movie

REINHARD KAISER-MÜHLECKER
Die sprechenden Wasserleitungen von Sargans

INGO SPRINGENSCHMID
Collagen

MICHAEL STAVARIC
Deja vu mit Pocahontas

ALEXANDER WIDNER
Gravesend

KURT BRACHARZ
Koi und Computer

DANIELA EGGER
Die Flutwellen

WWW.BZV.AT
Container für diverse Wahrheiten

ULRICH GABRIEL
Abgebrochenes Gedicht

 

LESEPROBE aus:

 

Ulysses-Road-Movie
von Christian Uetz

 

Prolog des Dichters: Nicht, dass du mich nicht mehr liebst, ist das Elend, sondern dass es mir schon so wenig ausmacht! Nicht, dass ich dich nicht erreiche, ist das Unerträgliche, sondern dass ich es ertragen kann. Wie wunderbar habe ich an dir leiden können! Wie schön war es, mich dir bedingungslos auszuliefern, mich zu verschwenden für dich, ohne etwas zurückzuwollen. Wie intensiv war es, von dir total besessen zu sein, keine Sekunde nicht an dich zu denken und für dich zu verschmachten! Wie göttlich war es, für dich sterben zu wollen. Aber meine Liebe zu dir war nicht gross genug, als dass ich daran sterben konnte. Jetzt willst du mich sehen. Aber Ich kann dich nicht sehn, denn ich kann dich noch sehn. Ich kann dich nicht sehn, denn nun leide ich zuwenig, und das Nichtleiden dauert mich zu sehr. Ich kann an dir nicht mehr genügend leiden, also kann ich dich zuwenig leiden, und das ist ein Mangel an Liebe. Ich wollte aber an Leiden vor Liebe sterben, wollte so erbärmlich werden, dass es mir den unverbrennbaren Geist verbrennt. Ich habe zuwenig an dir gelitten, als dass ich noch an Liebe sterben kann. Und wenn ich nicht an Liebe sterben kann, will ich wenigstens an Sex sterben, obgleich es terroristisch ist, denn wir tun uns Gewalt an. Doch du Fremde bist überhaupt ein Terrorist. Du unbekannter Engel bist eine Nacktpassion, um auszubrechen aus der Lebenslüge, die doch die einzig Lebbare bleibt. Aber die Bürgerlichkeit hat einen Mangel an Unlebbarkeit. Der Terrorismus ist eine echte Not gegen die unvermeidliche Banalität und die biedere Billigkeit des sich damit Abfindens. Warum ist Odysseus 20 Jahre nicht zu Penelope zurückgekehrt? Er fürchtete, dass ihre Liebe erkaltet, und stürzte sich ins Abenteuer. Er suchte den Liebeskrieg auf allen Meeren. Er suchte die Fremde in der Fremde. Er wollte in der Fremde sterben. Auf die Fremde zugehen ist Sterben, und Sterben ist Nacktwerden immer zu. Sich öffnen der Fremden rückhaltlos. Die Fremde ist deine geheime Nähe. Mit der Fremden die Ewigkeit der einzigen Nacht. Du bist die verborgene Nacktheit der fremden Vertrautheit. Du bist die Vertrautheit der Fremde, eine fremde Vertrautheit ist gestalthaft zugegen. Und wenn wir uns noch so vertraut sind, was uns überkommt, ist immer das uns Fremde an uns, das uns ins Dunkle erhellt, und wenn wir uns noch so vertraut sind, was uns erregt, ist uns ungewiss. Ich werde eine Reise machen, und dich finden, meine Fremde, mein Liebes und Todesengel, ich werde dich ansprechen, in Paris, in Marseille, in Barcelona, in Madrid, in Lissabon, in Sevilla, in Tanger, in Marrakesch. Ich werde dich finden, meine Terroristin, die auch auf Gewalt aus ist aus Mangel an Gewalt. Ich werde dir mein Gedicht sagen, und es sagt sich dir sofort zu:

(...)