miromente 59

Es ist unmöglich, die momentanen Entwicklungen (Corona), nicht anzusprechen, zumal sie Auswirkungen auch auf dieses Projekt haben werden; welche genau, bleibt abzuwarten. Momentan sind es vor allem Verzögerungen und Materialengpässe im Bereich des Drucks. Wir werden dennoch versuchen, die Frequenz von vier Nummern in diesem Jahr aufrecht zu erhalten. Und wir hoffen, sie bleiben uns gewogen und schaffen es, die hier versammelten Geschichten, die naturgemäß aus einer Zeit vor der Krise stammen, als einen Blick auf ein mögliches Danach zu lesen.

Unabhängig davon bleibt es für uns wichtig, Ihnen mitzuteilen, dass Kurt Bracharz, Mitgründer und bis 2013 Redaktionsmitglied der miromente, im Jänner im Alter von 72 Jahren verstorben ist. Praktisch alle Nachrufe in den hiesigen Zeitungen, aber auch alle seine Person betreffenden Gespräche enthielten nicht zufällig das Wort „unbestechlich“. Es beschreibt die Grundzüge seines Charakters derart gut, dass es auch an dieser Stelle nicht fehlen darf. Nichts konnte nämlich Kurt Bracharz dazu bringen, etwas anderes zu sagen, als er dachte, und zwar ausschließlich auf der Basis dessen, was er wusste. Das galt auch und vor allem für die Literatur. Mehr sollten sie in einer Sondernummer zu Kurt Bracharz erfahren, die wir immer noch für den Herbst 2020 planen.

In der aktuellen Nummer bekommen sie einen Einblick in die Werkstatt von zwei jungen Vorarlberger Autoren, nämlich Mathias Müller und Nils Nußbaumer, die beide im vergangenen Jahr im Rahmen des Vorarlberger Literaturpreises mit einem Arbeitsstipendium ausgezeichnet wurden. Beide liefern hier einen weiteren Beweis ihrer inhaltlichen und stilistischen Qualität. Genau ein Jahr nach der ersten Veröffentlichung eines Textes von Christian Reimann, drucken wir einen weiteren Teil seines in Arbeit befindlichen Romans ab, mit dem der in Berlin lebende Autor sicher noch von sich reden machen wird. Und auch aber nicht nur als Hinweis auf Isabella Krainers soeben beim Limbus-Verlag erschienenen Lyrikband „Vom Kaputtgehen“ stellen wir Ihnen einige der darin enthaltenen Gedichte vor und machen damit erneut auf eine Autorin aufmerksam, deren Arbeit wir sehr schätzen. Auf Bilder haben wir dieses Mal verzichtet und an ihre Stelle ein paar schwarze Trennseiten gesetzt.

Wolfgang Mörth

miromente 59 – April 2020


MATHIAS MÜLLER
Journal (Auszug)

ISABELLA KRAINER
Vom Kaputtgehen

CHRISTIAN REIMANN
Schankwagen

NILS NUSSBAUMER
Aufzeichnungen

WOLFGANG MÖRTH
SPHÄRE SECHS


 

Leseprobe:

aus: Vom Kaputtgehen
von Isabella Krainer

 

hochzeitstag

sie hat
die blumen
eingefrischt

schwermut
gabs geschüttelt

er hat
ihr vieles
aufgetischt

gerührt war
nur der hund

sie hat
den braten
blind serviert

er hat ihn nicht
gerochen

sie hat
das blindsein
perfektioniert

ihn ungeschaut
erstochen

sie hat
ihn einfach
tot gemacht

das gefiel sogar
den gästen

dann haben
sich alle
tot gelacht

der hund lebt
von den resten