miromente 70 ;)

Immer, wenn die miromente ihre Farbe wechselt, bedeutet das: der Harder Literaturpreis findet statt. Es ist den Verantwortlichen in der Gemeinde Hard nicht genug dafür zu danken, dass es diesen Wettbewerb nun schon so lange gibt. Auf Anstoß des damaligen Harder Kulturreferenten Alwin Riedmann und mit den Stimmen aller im Rathaus vertretenen Parteien wurde er im Jahr 1982 ins Leben gerufen und 1983 zum ersten Mal vergeben. Als Leiter der Jury konnte der bekannte deutsche Autor Josef W. Janker gewonnen werden. Im Vorwort der ersten Publikation der Siegertexte, die von Walter Fink im Finks Verlag herausgegeben wurde, schrieb er, dass „die wagemutige Marktgemeinde“ mit diesem Wettbewerb ein Ruhmesblatt aufschlage, „das vom kulturellen Engagement des Bürgersinns kündet, der in dieser Seeregion – Grenzen überspringend – ein weithin sichtbares Zeichen setzt.“
Dass dieses Zeichen gesehen wurde, beweist die große Anzahl an Einsendungen, die im Harder Rathaus seither eingetroffen sind. In all den Jahren waren es mehr als fünftausend. Es dürfte deshalb wohl kaum Autor*innen im deutschsprachigen Raum geben, die den Namen der Gemeinde am See nicht kennen. „Außerdem sorgt der Harder Literaturpreis auch dafür, Schreibende nach Hard zu holen, die dann wiederum Hard in ihr Schreiben holen, denn Schreibende saugen ja immer alles auf wie unförmige Gehirnschwämme.“ Diese Aussage stammt von Yannic Han Biao Federer, dem Preisträger des Jahres 2018, der in seinem jüngsten bei Suhrkamp erschienenen Roman „Tao“ tatsächlich Hard zu einem der Schauplätze machte.
Dank gilt auch der aktuellen Jury, zusammengesetzt aus den Autor*innen Jürgen-Thomas Ernst, Andrea Gerster, Constantin Göttfert und Tabea Steiner, sowie den beiden Germanistinnen Liberata M und Manuela Schwärzler für Ihre Themenfindungs-, Lese- und Entscheidungsarbeit.
Bleibt nur noch, auf die originelle Bearbeitung der Autor*innen-Porträts durch die Bregenzer Grafikkünstlerin Lena Seeberger hinzuweisen, die, angeregt durch den Inhalt der Wettbewerbsausschreibung, die Gesichter aus den Bestandteilen von Rohrleitungssystem zusammengebaut hat.
Wir wünschen allen Abonnent*innen der miromente und denen, die diese Nummer darüber hinaus erhalten haben, eine anregende Lektüre.

Wolfgang Mörth



miromente 70 :) – Dezember 2022

 

 

MANUELA SCHWÄRZLER
Vorwort

LENA SEEBERGER
Proträtgrafiken

15. Harder Literaturpreis
SUSANNE TÄGDER
Postkarten

Förderpreis
MARTIN PEICHEL
Die friedlichste in der Natur 
vorkommende Umverteilung

Förderpreis
JOACHIM OFF
Ron bleibt im Regal

JULIAN FISCH
Flaggen über der Bucht

DANIEL GRABNER
Rand

KATHRIN GROSS-STRIFFLER
Die Katze

JONAS HARTMANN
Die Rollläden

WOLFGANG NACHBAUER
Rohr posten

 

 

Vorwort

Von Rohrleitungen und anderen Kommunikationskanälen
von Manuele Schwärzler

Vor 40 Jahren wurde der Harder Literaturpreis zum ersten Mal ausgeschrieben und ist damit einer der ältesten Literaturpreise Österreichs. Heuer wurde er zum 15. Mal vergeben, zum sechsten Mal für Kurzgeschichten, die wieder aus dem gesamten deutschsprachigen Raum in Hard eintrafen. Und zum vierten Mal erscheinen die drei Siegertexte zusammen mit anderen Einsendungen, die in Inhalt, Form oder Stil einen besonderen Eindruck bei der Jury hinterlassen haben, in der Vorarlberger Literaturzeitschrift miromente.
Die diesjährige Ausschreibung machte es den Autor*innen nicht unbedingt leicht: Ausgehend von der Rohrpost, die vor knapp 100 Jahren als Innovation gefeiert wurde und damals einen der wichtigsten Kommunikationskanäle darstellte, fragte sie nach Prosatexten, »die versteckte Verbindungen auskundschaften, die möglicherweise Liegengebliebenes aufstöbern, die (außer) gewöhnliche Kommunikationswege oder innovative Rohrsysteme in den Mittelpunkt stellen« sollten. Die Kommunikation in ihren denkbar unterschiedlichsten Arten war es schließlich, die von einem Großteil der Autor*innen thematisiert wurde, auch von jenen drei, denen am Ende die beiden Förderpreise in Höhe von jeweils 1000 Euro und dem mit 5000 Euro dotierten Hauptpreis zuerkannt wurde.
Einer der Förderpreise ging an den Baden-Württemberger Autor Joachim Off, (er war auch schon beim letzten Harder Literaturpreis unter den Gewinnern), der in seiner Geschichte Ron bleibt im Regal auf humorvolle Art von der am Ende traurigen Beziehung zwischen Seniorchef und Maskottchen eines Installationsbetriebes erzählt.
Den zweiten Förderpreis erkannte die Jury Martin Peichl aus Niederösterreich zu. In seinem Text Die friedlichste in der Natur vorkommende Umverteilung ist ein Mann mit einer Füchsin konfrontiert, die sich in seine Wohnung verirrt hat. Die Leser*innen erleben dabei die inneren Kämpfe des Protagonisten mit, der einen Weg sucht, mit dem Tier zu kommunizieren, ohne dessen Natur allzu sehr herauszufordern.
Die Gewinnerin des diesjährigen Hauptpreises ist die gebürtige Heidelbergerin Susanne Tägder. In ihrer Erzählung Post- karten schildert sie in lakonischer Sprache und in fein ausbalanciertem Verständnis für die divergierenden Interessen eines weiblichen Teenagers und seiner alleinerziehenden Mutter eine ungewöhnliche Möglichkeit, die abgebrochene Kommunikation im gemeinsamen Haushalt wieder in Gang zu setzen.
Die Jury gratuliert der Preisträgerin und den Preisträgern, sowie den weiteren sechs Autor*innen, die in dieser Anthologie mit ihren Texten vertreten sind, und wünscht allen Leser*innen eine spannende Lektüre!